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[:de]„Es stimmt gar nicht, dass Kühe Milch geben…“[:]

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„…die Bauern nehmen sie ihnen einfach weg!“ (Robert Lembke)

Diesen Mittwoch  (am 1. Juni) wird der Weltmilchtag zum 59. Mal in über 30 Ländern zelebriert. Bundesweit laden Bauernhöfe und Käsereien ein und Interessenverbände informieren die Besucher. Auch im „Milchland“ Bayern werden verschiedene Aktionen anlässlich des Tages veranstaltet. München veranstaltet zum Beispiel den Almauftrieb der Fleckvieh-Herde auf den Olympiaberg in unserer unmittelbaren Nähe oder den Milch-und Käsemarkt am Coubertin-Platz mit Produkten aus heimischen Molkereien. Das Familienfest mit Rahmenprogramm zum Thema Stadt-Land-Kuh findet am 5.Juni (Sonntag) statt.

Mit der erstmaligen Einführung im Jahre 1957 durch die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und des internationalen Milchwirtschaftsverband (IDF) sollte seit jeher für die gute alte Kuhmilch als wertvolles Naturprodukt geworben werden, um den seit 1950 sinkenden Verzehr entgegenzuwirken [1].  Am gleichen Tag finden jährlich die Gegenkampagnen von Tierschutzverbänden gegen Konsum tierischer Milch statt [2]. Die Aktivisten möchten nicht nur auf die leidenden Tiere, sondern auch auf die gesundheitlichen Schäden durch Tiermilchkonsum hinweisen.

Dabei macht doch „Milch müde Männer munter“ und „ist gut für die Knochen“, oder doch nicht?

Nun, chemisch betrachtet ist die Kuhmilch eine zu 87 % aus Wasser bestehende Flüssigkeit, in der Kohlenhydrate (z.B. Lactose), Vitamine, Enzyme, Kalzium und anderen Spurenelementen gelöst sind. Proteine (80 % Casein) liegen hingegen als Kolloide fein verteilt vor, während unlösliches Milchfett als Kügelchen in der Milch emulgiert ist [3]. Die Meinung, dass Milch wichtig für die Entwicklung ist, trifft in erster Linie auf Muttermilch zu. Diese enthält wichtige Nährstoffe für das Wachstum und Entwicklung des Neugeborenen, sowie auch Immunoglobuline zur Unterstützung des Immunsystems in den ersten Wochen. Dabei ist die genaue Zusammensetzung der Muttermilch von Spezies zu Spezies unterschiedlich. Der Milchzucker Laktose wird dabei durch das Enzym Laktase gespalten (=verdaut). Normalerweise wird das Gen, welches für Laktase kodiert, im Erwachsenenalter abgeschaltet, sprich: es wird keine Laktase mehr produziert. Dank einer Mutation im Laktasegen kann der Mensch seit etwa 7500 Jahren Laktose auch im Erwachsenenalter verdauen. Interessanterweise besitzt nur 35 % der Weltbevölkerung diese Mutation, die anderen 65 %, die besonders in Ostasien, Südeuropa und großen Teilen Afrikas beheimatet sind, sind mehr oder weniger stark Laktose-intolerant [4]. Mit dem Domestizieren von Rindern, wurde Kuhmilch als Nahrungsmittel gewonnen und steht seit jeher für eine gesunde Ernährung. Wie jede Muttermilch enthält auch Kuhmilch eine große Zahl an Nährstoffen, die allerdings auf die Physiologie von Kälbern abgestimmt sind. Der Proteinanteil in Kuhmilch drei- bis viermal so hoch wie in humaner Milch, da ein Kalb sehr schnell Muskeln und Kraft zulegen muss. Der Mensch hingegen entwickelt in erster Linie eine gesteigerte Gehirnfunktion, welches durch die Aufnahme der menschlichen Muttermilch gewährleistet wird. Kuhmilch-Kritiker sehen hier das Totschlagargument: „Kuhmilch ist für Kühe“ [2]; [5].

Aber was ist mit dem hohen Kalzium-und Mineralgehalt der Milch? Kalzium wird für Knochen und Zähne gebraucht und beeinflusst den Blutdruck [6]. Für die Aufnahme von Kalzium wird Vitamin D benötigt, welches zwar auch in Milch enthalten ist, jedoch in sehr viel geringeren Mengen als Kalzium. Viele Studien zeigen positive Effekte von Milchkonsum auf Zahnbeschaffenheit [7], Osteoporosevorbeugung [8]; [9] und sogar krebshemmende Effekte durch konjugierte Linolsäuren [6]. Gegner führen dagegen den hohen Gehalt an gesättigten Fettsäuren als mögliche Ursache für Arteriosklerose und Gefäßerkrankungen an [5]; [10]. Auch die SZ erläutert die Vor-und Nachteil von Kuhmilch in einem interessanten Artikel. Tierschützer weisen auf die Umstände der Milchgewinnung durch sogenannte „Turbokühe“ hin. Durch die Zuführung von Wachstumsfaktoren und viel Eiweiß geben die Kühe 40 bis 50 L am Tag [11]; [12]. Die Folge sind geringere Lebenserwartung und entzündete Euter, die wiederum mit Antibiotika behandelt werden müssen. Die Angst, der Mensch könne diese mit der Milch zu sich nehmen ist groß, weshalb viele Menschen auf Bio-Kuhmilch oder pflanzliche Alternativen umsteigen. Es gibt seit der Abschaffung der Milchquote (April 2015) ohnehin eine Überproduktion an Milch in Deutschland, was die Milchpreise drückt [13]. Milchbauern aus kleinen Betrieben leiden dabei unter den Billigpreisen der Discounter und wünschen sich, dass die Verbraucher öfter auf regionale Produkte zurückgreifen.

Milch ist vielleicht kein überlebenswichtiges Nahrungsmittel, kann positiv und negative Effekte auf die menschliche Physiologie haben, aber ist auch ein Genussmittel. Fakt ist, es gibt genug pflanzliche Alternativen, die jedoch eine gänzlich andere Zusammensetzung und Geschmack als Tiermilch haben. Neuste Entwicklungen versprechen außerdem künstlich gewonnene Milch aus genetisch veränderten Hefe-Kulturen mit Zusammensetzungen ähnlich der Kuhmilch (nur ohne Laktose) [14].

Ob man dabei zu Liebe der Tiere nun den Weltmilchtag mit einem großen Glas Mandelmilch statt Kuhmilch startet, oder mit dem Kauf regionaler Molkereiprodukte die Milchbauern unterstützt, ist jedem selbst überlassen.

[1]- https://de.wikipedia.org/wiki/Weltmilchtag

[2]- www.sagneinzumilch.de

[3]- Chadan RC. Dairy-Based Ingredients, Eagen Press (AACC), 1997, Ch. 1, 1-10. (https://cerealchemistry.aaccnet.org/doi/pdf/10.1094/9780913250945.001) [:de]„Es stimmt gar nicht, dass Kühe Milch geben…“[:]

[4]- https://www.nature.com/news/archaeology-the-milk-revolution-1.13471

[5]- Dr. Robert M. Kradjian, MD Breast Surgery Chief Division of General Surgery on notmilk.com (https://www.notmilk.com/kradjian.html)

[6]- Haug A, Hostmark AT and Harstad OM. Bovine milk in human nutrition – a review. Lipids in Health and Disease, 2007, 6: 25.

[7]- Ferrazzano GF, Cantile T, Quarto M, Ingenito A, Chianese L and Addeo F. Protective effect of yogurt extract on dental enamel demineralization in vitro. Aust Dent J, 2008, 53, 4: 314–319.

[8]- Uenishi K, Ishida H, Toba Y, Aoe S, Itabashi A and Takada Y. Milk basic protein increases bone mineral density and improves bone metabolism in healthy young women. Osteoporos Int, 2007, 18: 385–390.

[9]- Tucker KL. Does milk intake in childhood protect against later osteoporosis? Am J Clin Nutr, 2003, 77: 10–1.

[10]- Soedamah-Muthu S, Ding EL, Al-Delaimy WK, Hu FB, Engberink MF, Willett WC and Geleijnse JM. Milk and dairy consumption and incidence of cardiovascular diseases and all-cause mortality: dose-response meta-analysis of prospective cohort studies. Am J Clin Nutr, 2011, 93: 158–71.

[11]- https://www.ndr.de/ratgeber/verbraucher/milch173.html

[12]- https://www.br.de/nachrichten/turbokuehe-100.html

[13]- https://www.agrarheute.com/news/pressespiegel-milchkrise-frage-schuld

[14]- www.muufri.com

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