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[:de]Foodsharing im Olydorf – Ein Interview mit Mia[:]

[:de]Mia, im Olydorf kennt man dich im Zusammenhang mit Foodsharing: Was genau verbirgt sich hinter diesem Begriff?

www.foodsharing.de ist eine Internet-Plattform, die Privatpersonen, Händlern und Produzenten die Möglichkeit gibt, überschüssige Lebensmittel kostenlos anzubieten oder abzuholen. Foodsharing ist also ein Zusammenschluss von engagierten Menschen und verfolgt dabei das Ziel, dass noch verzehrbare Lebensmittel auf keinen Fall im Müll landen, sondern weiterverteilt (im Foodsharing-Jargon: fair-teilt) und somit auch gegessen werden.

Wohin geht das gerettete Essen?

Das Essen wird sowohl an bedürftige, wie auch nicht bedürftige Personen, Gruppen und Einrichtungen verteilt. Natürlich dürfen Aktive (Foodsaver) auch einen Teil der geretteten Waren zum Selbstverzehr nutzen – aber halt immer nur so viel, dass wirklich nichts im Müll landet. Ich werde oft gefragt, wieso die Waren nicht vermehrt an die Tafel o.ä. gespendet werden. Das Problem dabei ist, dass die Tafel das Essen, das durch Aktive bei Foodsharing gerettet wird, gar nicht annehmen darf, weil sie es nicht so schnell weiter verteilen kann. Hierbei handelt es sich oft um schnell verderbliche Lebensmittel, die oft noch am selben Tag weiterfairteilt werden müssen.

Wie kann man sich den Ablauf vorstellen?

Auf der Basis von Kooperationen mit verschiedensten Betrieben werden Lebensmittel gerettet, abgeholt und weiterfairteilt. Das läuft alles über die Foodsharing-Plattform. Dort können sich die Foodsaver eintragen, um Lebensmittel von den Betrieben zu retten, während Foodsharer sich darum kümmern, die Lebensmittel kostenfrei weiterzugeben. Im Olydorf gibt es oft sehr große Mengen schon zubereiteter Speisen (200 Liter), die über die Foodsharing-Whatsapp- & Telegramgruppe, sowie facebook angekündigt werden.

Sind viele Unternehmen zu Foodsharing bereit?

Das Problem ist, dass es oft nicht genügend Foodsaver gibt. Es müssen genug Menschen im Team sein (je nach Häufigkeit und Menge der Abholungen mindestens 20-30 Personen, in meinen Teams sind aber im Durchschnitt eher 50-60 Menschen), um die Waren immer zuverlässig abholen zu können. Wenn das nicht der Fall ist, wird die jeweilige Kooperation gar nicht angefragt. Im Olydorf selbst sieht es ähnlich aus: Wenn das Essen da ist, kommen die Leute schon. Sobald aber danach gefragt wird, wer sich um die Verteilung kümmern kann, sieht es eher mau aus.

Gibt es irgendwelche Einschränkungen bezüglich der Lebensmittel?

Ja, rohen Fisch und andere Risikonahrungsmittel wie Hackfleisch oder Produkte mit rohem Ei. Das sollte man nicht weiterfairteilen, nur selbst konsumieren. Manchmal ist das Mindesthaltbarkeitsdatum der Waren überschritten, aber sie sind deshalb trotzdem konsumierbar. Dies steht im Unterschied zum Ablauf des Verbrauchsdatums. Solche Lebensmittel dürfen auf keinen Fall weitergegeben werden. Sie stellen eine Gesundheitsgefahr dar! Es ist die Verantwortung jedes Einzelnen, zu überprüfen, ob die jeweilige Ware noch gut ist. Gerade im Sommer kann nicht immer garantiert werden, dass die Kühlkette komplett eingehalten wird.

Wie bist du auf Foodsharing gestoßen und was motiviert dich, dabei aktiv mitzuwirken?

Ich bin Ende 2013 über eine Freundin dazu gekommen, die aktiv war, und rette seit 2014 regelmäßig. Meine Motivation ist es, der Lebensmittelverschwendung den Kampf anzusagen. Dadurch, dass ich alle möglichen Sitzungen und Veranstaltungen besuche und in meiner direkten Umgebung gerettete Lebensmittel fairteile, schaffe ich für das Thema Aufmerksamkeit und komme mit Menschen ins Gespräch. Und ein netter Nebeneffekt: Foodsharing spart einem aktiven Abholer auch Geld, weil man dann nicht mehr so viel einkaufen muss. Dafür wird als Ausgleich natürlich Zeit investiert.

Wann wurde Foodsharing ins Leben gerufen?

Das Ganze begann 2011, als Valentin Thurn den Film „Taste the Waste“ drehte und damit das Thema Lebensmittelverschwendung nach Deutschland brachte. Im gleichen Jahr rettete Raphael Fellmer Lebensmittel aus den Tonnen verschiedener Biosupermärkte in Berlin. 2012 schloss Raphael Fellmer die erste Kooperation mit einem Supermarkt und startete so die „Lebensmittelretten“-Bewegung. Es kam zur Gründung des foodsharing e.V. mit der Website foodsharing.de, die das Teilen von sog. „Essenskörben“ ermöglicht. Außerdem wurde die Plattform lebensmittelretten.de entwickelt. Diese macht das Lebensmittelretten von Kooperationspartnern im großen Stil möglich. In München selbst gibt es seit einem Jahr den eingetragenen Verein Foodsharing München e.V.

Woran hapert es noch beim Thema Foodsharing? Was wünscht du dir für die Zukunft?

Foodsharing fängt im Kleinen an. Das heißt, wenn man beispielsweise in den Urlaub fährt, sollte man die Nachbarn fragen, ob sie die übrigen verderblichen Lebensmittel möchten. Ich würde mir wünschen, dass sich die Mentalität ändert. Den meisten ist es nämlich unangenehm, Anderen die „alten Sachen“ anzudrehen. Essen ist aber wertvoll und sollte nicht so unbedacht verschwendet werden. Außerdem wäre es schön, wenn jeder Einzelne etwas mehr Aktionismus zeigen würde.Wie kann man selbst beim Foodsharing mitmachen? Wie bereits erwähnt beginnt Foodsharing im Kleinen, schaut deswegen zu allererst kritisch auf euren eigenen Konsum: Verbraucht ihr immer alle Lebensmittel oder werft ihr auch mal welche weg? Sprecht mit euren Freund*innen und Bekannten über Lebensmittelverschwendung. Foodsharer kann man werden, indem man sich einen Account auf der Foodsharing-Website anlegt, dann kann man auf der Plattform Essenskörbe anbieten oder dort abholen sowie die Fairteiler beliefern, abholen und mitbetreuen. Wer sich noch mehr einbringen möchte, kann Foodsaver werden und Lebensmittel bei Betrieben retten und dann beispielsweise im Olydorf weiterfairteilen. Um sich anzumelden, muss man das Wiki lesen und einen Test machen. Das könnt ihr alles auf https://wiki.foodsharing.de/Hauptseite nachlesen. Gerne könnt ihr euch natürlich bei Interesse auch bei mir persönlich melden. Fragt dazu einfach beim Dorfbladl bzw. KULT nach.

Vielen Dank, Mia!

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