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[:de]Volksbegehren „Artenvielfalt“: Geht es wirklich nur um Bienen?[:]

[:de][:de]Volksbegehren "Artenvielfalt": Geht es wirklich nur um Bienen?[:]

Ab heute startet das Volksbegehren „Artenvielfalt“, welches sich in mehreren Punkten für mehr Artenvielfalt und Erhalt von heimischen Tierarten stark macht. Das Volksbegehren wird von einem Bündnis aus verschiedenen engagierten Personen, Organisationen, Unternehmen und Parteien getragen und hat hierzu einen Gesetzentwurf erarbeitet, über welchen schließlich abgestimmt werden soll. In zwei Wochen müssen sich dafür 10% der bayerischen Wählerinnen und Wähler in den Rathäusern eintragen, das sind knapp 1 Million Menschen!
Es können nur Wahlberechtigte in Bayern mitmachen, die auch für die Landtagswahl berechtigt sind (EU-Bürger leider nicht). Man kann sich vom 31.01 bis 13.02 dafür eintragen, unterschreiben geht jedoch nur im eigenen Wohnort, im Rathaus und anderen offiziellen Eintragungsstellen. Es gibt keine Möglichkeit sich online einzutragen!

Doch worum geht es genau?

Es geht nicht nur um den reinen Erhalt von Bienen oder einzelnen Tierarten, es geht um weitaus mehr als das. Die Bienen sind hierfür nur ein Vorzeigebeispiel, da diese eine besonders wichtige und zentrale Funktion in der Natur übernehmen und besonders betroffen sind. Die Ziele des Volksbegehrens lassen sich in die folgenden Punkte unterteilen:

  • Biotopverbunde schaffen:
    Existierende Biotope sind oft nicht mit anderen verbunden oder wichtige Verbindungen wurden durch Straßen- oder Siedlungsbau getrennt und sollen nun wieder verknüpft werden, um ein weitläufiges, zusammenhängendes Netz aus Biotopflächen zu schaffen.
  • Nachhaltige Ausbildung:
    Die Ausbildung von Landwirten soll in Zukunft wieder vermehrt auf die Zusammenhänge in der Natur, Artenvielfaltswissen und das überlieferte bäuerliche Wissen ausgerichtet werden, anstatt sich rein auf Effizienz, Profit und Smart-Farming zu konzentrieren. Auch in Schulen sollen diese Themen wieder intensiver behandelt werden. So kann eine gute Ausgangsbasis für eine nachhaltige Landwirtschaft geschaffen werden.
  • Mehr Transparenz:
    Die Bürger/innen sollen in Zukunft über den Fortschritt der Umsetzung neuer Aufgaben, die mit dem neuen Naturschutzgesetz einhergehen, informiert werden. Dafür soll der bayerische Landtag einen jährlichen Statusbericht verfassen, damit über die Erreichung der Ziele und den Zustand der Artenvielfalt berichtet wird.
  • Mehr öko, mehr Bio:
    Der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Flächen soll von aktuell 10% auf über 20% bis 2025 und 30% bis 2030 steigen. In diesem Zusammenhang sollen aber auch wieder kleinere und mittlere Betriebe vernünftig gefördert werden, da Förderungen aktuell stetig wachsende Betriebe besonders belohnen. Es soll daher wieder das Zusammenspiel aus kleinräumiger, bäuerlicher Landwirtschaft und Artenvielfalt gestärkt werden. In diesem Zuge soll es sich durch faire Bezahlung wieder mehr lohnen, wenn man sich als Landwirt verstärkt um die Natur und die Artenvielfalt kümmert. So kann auch der große Anteil importierter Bio-Lebensmittel durch regionale, selbstproduzierte Waren verringert werden. Zusätzlich sollen als Vorbild alle staatlichen Agrar- und Forstflächen auf eine ökologische Bewirtschaftung und nachhaltige Nutzung umgestellt werden.
  • Mehr Blühwiesen:
    Mindestens 10% der Naturflächen sollen in Blühwiesen umgewandelt werden. Dabei geht es darum, dass Bienen und andere Bestäuber darauf angewiesen sind, dass es durchgehend blüht und sie eine Vielfalt an hauptsächlich heimischen Pflanzen vorfinden. Hierfür sind Rapsmonokulturen und zu satte Wiesen, auf denen fast nur noch Löwenzahn blüht, keine Alternativen. Zusätzlich entstehen durch zu frühes und häufiges Mähen für Insekten immer wieder Hungerperioden, worunter auch die heimischen Vögel, deren Hauptnahrungsquelle Insekten sind, leiden.
  • Weniger Pestizide:
    Übermäßiger Einsatz von Dünger und Chemie in der Landwirtschaft bedroht nachweislich sowohl die Artenvielfalt als auch die Gesundheit der Bauern und Anwohner. Zudem ist es möglich, auch ohne intensive Landwirtschaft, genug Ertrag für eine solide Ernährungssicherheit mit Hilfe von schonenden und vielfältigen Bio-Anbaumethoden, robusten Saaten und einem gesunden Boden zu erreichen. Aus Profitgründen zusätzlich angebaute Waren für den Export nach Afrika und China und fehlgesteuerte Agrarpolitik führen so zu einem vermehrten Artensterben, Bodendegradierung und nitrithaltiges Trinkwasser. Das würde sich durch den Einsatz von weniger Dünger und Pestiziden und generell mehr Bio-Landwirtschaft minimieren oder gänzlich verhindern lassen. Bei den Gewässerrandstreifen ist Bayern zudem das einzige Bundesland, in dem bis an die Gewässer gedüngt und gespritzt werden darf. Dieser aktuell freiwillige Verzicht soll in Zukunft für alle Landwirte verpflichtend sein.
  • Eine riesige Chance für die Bauern:
    Es soll mit dem Volksbegehren ein gesetzlicher Rahmen geschaffen werden, der zu einem Investitionsprogramm für die Landwirtschaft führen soll. Damit werden Landwirte, die Leistungen für das Gemeinwohl bringen, in Zukunft noch stärker gefördert und die Umstellung auf ökologischen Landbau noch intensiver unterstützt.
    Die obigen Punkte, wie die Forderung von 10% Blühwiesen, verbundene Biotope, weniger Pestizide oder mehr Bio-Landwirtschaft bedeuten für die Bauern Mehraufwand oder Verzicht, welcher durch lukrative und langfristige Angebote über geeignete Förderprogramme und zusätzlichen Flächen vom Staat Bayern ausgeglichen werden soll.
    Dass bisherige Fördergelder für freiwilliges Umweltschutzengagement von Landwirten auslaufen würden, ist nicht korrekt. Hierbei kann der Freistaat Bayern zusätzliche Anreize schaffen, ohne auf Entscheidungen aus der EU warten zu müssen, um als Vorbildrolle für andere Bundesländer und europäische Staaten zu dienen.
    Zudem nimmt die Nachfrage nach Biolebensmitteln in der bayerischen Bevölkerung stetig zu. Diese Entwicklung kann auch in anderen Bereichen weiter vorangetrieben werden. In Österreich konnten durch geeignete Förderprogramme und die Umstellung aller Kantinen in Behörden, Schulen, Universitäten und Krankenhäusern der Absatzmarkt von Bio-Produkten zusätzlich gestützt werden.

Durch diese Forderungen und die Unterschrift unter diesem Volksbegehren werden allerdings nicht nur Regularien auf dem Papier geändert. Jeder sollte sich bewusst sein, was diese Punkte für die Landwirtschaft und Landwirte bedeuten und dass diese auch direkten Einfluss auf die bayerische Bevölkerung haben werden. Natürlich gibt es hierbei auch nicht nur Befürworter, die diese Änderungen begrüßen. Besonders der bayerische Bauernverband warnt davor, dass diese Maßnahmen Landwirte in ihrer Existenz bedrohen können, wenn Fördergelder für bisher freiwilliges Engagement wegfallen und dass reine Quotenpolitik häufig am Ziel vorbeiführt.
Der Verband der Biobauern wiederum begrüßt das Volksbegehren und spricht sich in allen Punkten klar dafür aus.

Natürlich bringt das Volksbegehren in Sachen Umweltschutz viele Vorteile, aber es wäre auch nicht richtig, blind alles gutzuheißen, ohne sich ausreichend über die Thematik, nötige Hintergründe, Zusammenhänge und vor allem Folgewirkungen informiert zu haben. Denn das ist das, was direkte Demokratie so besonders, aber auch bedenklich macht. Eine Entscheidung zu treffen, ohne den vollen Umfang der Entscheidung zu kennen, führt selten zu einem zufriedenstellenden Ergebnis, sowohl privat wie auch in der Politik. Deshalb sollten wir Bürger sollten uns in dieser Sache unserer Verantwortung bewusst werden. Es geht nicht nur darum, dass man mit einer Unterschrift die Artenvielfalt zu schützen vermag. Denn mit der bloßen Unterschrift sollte es nicht getan sein.

Wir können und müssen selbst aktiv werden.

So muss zum Beispiel ein entsprechender Absatzmarkt für die wie geplanten, verstärkt in Bio-Qualität angebauten Lebensmittel geschaffen werden. Das heißt, dass wir diese verstärkt einkaufen müssen, damit sich die Nachfrage auch entsprechend gut mit dem verfügbaren Angebot deckt. Sonst produziert die bayrische Landwirtschaft Bioprodukte, die dann gar nicht vor Ort benötigt und verkauft werden, sondern wieder im Export landen. Deshalb gilt es schon jetzt, verstärkt vor allem auf Regionalität und Qualität der Produkte zu achten und schrittweise auf konventionell produzierte Produkte zu verzichten.
Dies gilt besonders bei Milch und Milchprodukten. Hier gibt es bereits eine Warteliste bei der Umstellung auf Bioqualität, die aber aufgrund noch geringer Nachfrage nach Bio-Milch und Bio-Milchproduktennur sehr langsam abgearbeitet werden kann. Hier wäre also die Einführung einer verbindlichen und höheren Bio-Quote in der Tat nicht förderlich, so lange die Nachfrage nach Bio-Produkten nicht im selben Maße zunimmt.
All das hat natürlich auch einen direkten Einfluss auf die Lebensmittelpreise. Decken sich Angebot und Nachfrage gut ab, sind entsprechend günstigere Preise zu erwarten. Dass Bio-Qualität jedoch natürlich mehr kostet als konventionell angebaute Waren wird sich allerdings nicht so schnell ändern. Doch das sollte es wert sein, wenn damit die Natur geschützt und Landwirtschaft nachhaltiger gemacht wird.

Doch nicht nur mit bewusstem Einkaufen kann man hierzu beitragen. Heimische Gärten und Privatgrund können auch als Wildblumenwiese genutzt werden. Bereits kleinere Bereiche, die man ganzjährig oder über längere Zeiträume einfach sich selbst überlässt, bieten Überlebensraum für zahlreiche Insekten und Kleinstlebewesen. Die gezielte Aussaat von heimischen Blütenpflanzen als Wildblumenwiese wäre hierbei natürlich das Optimum. Insektenhotels bieten zudem einen Rückzugsort für Insekten, gerade an kälteren Tagen. Im Stadtbereich sind aber auch Schrebergärten und Urban Gardening unterstützenswerte Möglichkeiten, mehr Grün in die Beton- und Teerlandschaften zu bringen und Pflanzen und Insekten zusätzlichen Lebensraum zu bieten (über unser eigenes Urban Gardening Projekt „Gassengarten“ kann man hier mehr erfahren: https://dorfbladl.com/de/gassengarten/ ).
Verpflichtende Maßnahmen oder geplante Förderungen für Privatgärten und private Grundstücke sind im Volksbegehren allerdings nicht verankert.

Es sollte also nicht dabei bleiben, mit der eigenen Unterschrift sein Gewissen zu beruhigen und die Sache mit der Artenvielfalt danach wieder sich selbst zu überlassen, sondern aktiv und bewusst darüber nachzudenken und sich auch im Alltag damit zu befassen und gegebenenfalls kleine Änderungen in der täglichen Routine vorzunehmen und andere und neue Dinge auszuprobieren:

  • Gibt es einen Bioladen um die Ecke?
  • Ist das Angebot wirklich so eingeschränkt und alles so überteuert?
  • Wo ist denn der nächste Wochen-/Bauernmarkt?
  • Welche heimischen Gemüse- und Obstsorten haben gerade Saison?
  • Welche Produkte kann ich regional einkaufen?
  • Kann ich nicht eine Blumenwiese in unseren Vorgarten integrieren?
  • Ein Tomatenbeet und Kräuter auf dem Balkon, warum eigentlich nicht?

Entscheiden muss jeder für sich selbst.[:]